Als jemand, der keinen Alkohol trinkt, habe ich mir sagen lassen: Wein vermag, in der entsprechenden Menge konsumiert, vieles besser zu machen. Vermutlich wird auch (schlechtes) Marketing durch Wein erträglicher.
In jedem Fall gilt umgekehrt: Wein wird besser durch Marketing – zumindest, wenn er aus Weingläsern der Firma Riedel getrunken wird.
Ein Paradebeispiel für a) den Erfolg von Storys im Marketing und b) die These »Wir glauben, was wir glauben wollen.« Erzählt von Marketing-Koryphäe Seth Godin in seinem Buch »All Marketers tell stories« (Amazon Affiliate-Link).
Weinglas ist nicht gleich Weinglas.
Wer etwas von Wein versteht, trinkt den edlen Traubensaft nicht aus »gewöhnlichen« Weingläsern. Stattdessen schwören Weinkundige auf der ganzen Welt auf die feine Glasware der österreichischen Firma Riedel.
Auf seiner Website verrät das Traditionsunternehmen das Erfolgsgeheimnis: Riedel-Gläser »wurden speziell entwickelt, um die Botschaft des Weins auf die menschlichen Sinne zu übertragen« und sie »berücksichtigen die DNA des Weines, um seine volle Tiefe auszudrücken und eine bessere Balance zu erreichen.«
Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um einen 1945 Romanée-Conti für 489.000 Euro oder das mundartliche »Essigwasser« aus dem Tetrapak handelt – ein (zum jeweiligen Wein passendes) Riedel-Glas wirkt sich positiv auf den Geschmack des Weines aus.
Selbst der amerikanische Weinkritiker Robert M. Parker, auf seiner Website als »die weltweit vertrauenswürdigste Autorität in Sachen Wein« beschrieben, bestätigt: »Diese [Riedel-] Gläser haben einen profunden Effekt auf feinen Wein. Ich kann gar nicht genug betonen, welchen Unterschied sie machen.«
Worin unterscheidet sich also Wein, der aus einem »normalen« Weinglas getrunken wird, von Wein aus einem Riedel-Glas?
Genau: gar nicht. Es gibt keinen Unterschied. Zumindest keinen belegbaren. In einer wissenschaftlichen Blindverkostung (weder der Wein noch das Glas waren zu erkennen) schmeckten die Teilnehmenden keinen Unterschied zwischen Wein aus einem »normalen« Weinglas und Wein aus einem Riedel-Weinglas.
Oder, etwas salopper formuliert: Es ist völlig egal, ob Du Wein aus einem billigen No-Name-Glas trinkst oder aus einem zehnmal so teuren Riedel-Glas. Der Wein schmeckt faktisch immer gleich.
Und doch bestehen Fachleute und Weinkenner*innen auf der ganzen Welt darauf, dass Wein aus Riedel-Gläsern besser schmeckt. Was passiert hier?
Die Macht des Marketings: gelebte Storys
Weinkritiker Robert M. Parker und alle übrigen Riedel-Fans auf der ganzen Welt sind »Gläubige«: Sie glauben an die Riedel-Story: Wein schmeckt besser aus Riedel-Gläsern. Und weil sie an die Story glauben, erzählen sie ihren Bekannten, Freundinnen und Freunden und aller Welt davon. Eine bessere Mund-zu-Mund-Propaganda hätte sich Riedel nicht wünschen können.
Die Story, die das Unternehmen mit seinen Gläsern erzählt, ist nicht wahr, weil sie wissenschaftlich verifiziert werden kann. Die Story ist wahr, weil sie konsequent und authentisch erzählt und gelebt wird. Von der Marke selbst und von allen Riedel-Fans.
Der »Mechanismus« dahinter ist einfach:
Wir alle glauben Dinge, die nicht wahr sind. Anders gesagt: Viele Dinge, die wir für wahr halten, sind wahr, weil wir daran glauben. Noch anders gesagt: Wir glauben, was wir glauben wollen. Und wenn wir erst einmal an etwas glauben, wird es eine selbsterfüllende Wahrheit.
Wenn Du glaubst, ein iPhone ist besser als ein Samsung-Smartphone, dann ist es für Dich wahr. Wenn Du glaubst, dass ein Audi besser fährt als ein BMW, dann ist es für Dich wahr. Und wenn Du glaubst, dass Wein aus Riedel-Gläsern besser schmeckt, dann ist es für Dich wahr.
Marketing braucht Storys.
Dass wir Menschen Geschichten brauchen, ist nicht neu. Geschichten sind der einzige uns bekannte Weg, um eine Idee mit anderen zu teilen. Storytelling ist zwar längst zu einem Buzzword verkommen; dennoch steckt dahinter eine universelle Wahrheit:
Marketing braucht Storys.
Dein Business braucht Storys. Du brauchst Storys. Keine harten Fakten, keine nackten Zahlen, keine Listen mit Features – ehrliche, authentische und konsequent gelebte Storys. Konzentriere Dich auf das, was Menschen glauben, und erzähle ihnen eine Story, die in ihr Weltbild passt. People like us do things like this.
Oder, um es mit den etwas drastischeren Worten von Seth Godin zu sagen:
Either you’re going to tell stories that spread, or you will become irrelevant. Entweder Du erzählst Storys, die sich verbreiten, oder Du wirst bedeutungslos.